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Wie wir versuchten, in die Wildnis zu flüchten und auf der Strecke (liegen) blieben

Wir können sie nicht mehr lesen und hören, all die Nachrichten über Corona. Wir verabreichen uns täglich die Höchstdosis an Informationen aus Deutschland, der Schweiz und Schweden - den Ländern, in denen wir, unsere Freunde und Familien leben. Deshalb unser Entschluss: Mit Herrn Puch (unserer zum Camper umfunktionierten G-Klasse) ab ans Meer. Das Wetter ist seit mehr als zwei Wochen wunderschön und trocken, nur die Temperaturen wollten bisher noch nicht so richtig mitmachen beim Frühling. Doch jetzt hat das Thermometer die 20-Grad-Marke geknackt und wir denken, daß ein paar Tage (wildes...) Camping an der Küste genau richtig sind, um den Kopf mit anderen Dingen zu fluten. Außerdem wollen wir unsere neue Angelausrüstung testen. Wir haben einen Spot gewählt, an dem im vergangenen Sommer außer uns nur ein paar deutsche Camper mit ihren Vans standen, weshalb wir davon ausgehen, daß wir das abgelegene Fleckchen dieses Mal komplett für uns allein haben werden. Gut gelaunt machen wir uns auf den Weg Richtung Norden. Die Sonne scheint, der Hund schnarcht auf der Rückbank und wir beschließen, an einem kleinen Supermarkt anzuhalten, um unsere Biervorräte noch etwas aufzustocken. Rings um den Supermarkt gibt es eine Handvoll Häuser und eine Kirche, ansonsten nur Wald, Wiesen und Hügel. Tiefste schwedische Provinz. Von dort sind es noch etwa 20 Minuten bis zu dem Platz an der Küste, an dem wir übernachten wollen. In dem kleinen Supermarkt ist nicht viel los und ich bin nach wenigen Minuten mit einem Sixpack Leichtbier zurück im Auto. Mein Freund dreht den Zündschlüssel, aber ausser einem hässlichen hellen Klacken passiert nichts. Wir stöhnen und rollen die Augen. Verdammte Batterie! Ein paar Mal musste die G-Klasse schon überbrückt werden, wenn sie zu lange gestanden hatte, aber in den vergangenen Tagen hing sie an einem Batterie-Ladegerät und der Wagen ist heute ohne zu murren angesprungen. Wie kann es da sein, daß die Batterie jetzt, nach 120 Kilometer Fahrt, schlapp macht? 

Wir müssen lachen, obwohl wir eigentlich laut schreien wollen

Ich gehe noch einmal in den Supermarkt und frage einen Mitarbeiter, ob er uns vielleicht Starthilfe geben kann. Er ist super hilfsbereit und sagt, er wohne selbst im Sommer die meiste Zeit in seinem ausgebauten Transporter. Er holt den Wagen, aber es gelingt uns nicht, die G-Klasse zu starten. Vermutlich ist seine Batterie nicht stark genug. Er nennt uns eine Werkstatt in der Nähe, die ich anrufe. Sie hat schon geschlossen, aber der Betreiber geht trotzdem ans Telefon. Er sagt, er habe leider keine Batterie vorrätig und müsse sie am nächsten Tag erst bestellen. Aber es gebe eine große Werkstatt in Munkedal, die könnten am nächsten Tag bestimmt einen Service-Mitarbeiter schicken. Munkedal liegt etwa 30 Kilometer entfernt von uns. Ich seufze, bedanke mich und lege auf. Der junge Supermarkt-Mitarbeiter meint, es sei kein Problem, wenn wir mit unserem Wagen über Nacht auf dem Parkplatz stehen bleiben. Wir versuchen, es mit Humor zu nehmen. Es gibt schlimmeres. Und wir haben ja alles, was wir brauchen. Vor allem reichlich Bier. Wir sind sogar froh, daß der Wagen hier liegen geblieben ist und nicht an unserem abgelegenen Platz am Meer. In dem unwegsamen Gelände wäre das mit der Starthilfe vermutlich noch schwieriger geworden. Wir beschließen, spazieren zu gehen. Das Meer ist nicht weit entfernt und dort könnten wir zumindest den Sonnenuntergang genießen.

Von irgendwoher kommt immer ein Lichtlein. Meistens. Zum Glück

Als wir uns gerade auf den Weg machen, sehen wir zwei Bauarbeiter, die vor dem Nachbarhaus ihr Feierabendbier trinken. Mein Freund spricht sie an und fragt, ob sie vielleicht eine Idee haben, wie wir unser Auto wieder flott kriegen. Zuerst sind die beiden etwas maulfaul, was aber vermutlich daran liegt, dass sie aus Lettland stammen und weder so richtig Englisch noch Schwedisch sprechen, während wir kein Wort Lettisch beherrschen. Aber dann packt den einen der Ehrgeiz. Er habe noch eine Ersatz-Batterie für seinen Wagen. Wir könnten sie einbauen und derweil unsere Batterie über Nacht aufladen, schlägt er vor. Das würde natürlich immer noch eine Nacht auf dem Supermarkt-Parkplatz bedeuten, uns aber möglicherweise das Gedöns mit der Werkstatt am nächsten Morgen ersparen. Ein Versuch ist es wert. Das bedeutet allerdings auch, daß die schwere Camping-Kiste samt Klapp-Matratze aus dem Kofferraum muss. Da wohnt nämlich bei unserer G-Klasse die Batterie.

Inzwischen ist unser Auto mit den verstreut drumherum liegenden Camping-Utensilien und einem am Aussenspiegel festgebundenen Hund eine echte Attraktion auf dem Parkplatz. Die Leute, die von der Arbeit kommen und noch schnell etwas einkaufen wollen, schauen interessiert herüber. Kersten und der lettische Bauarbeiter stecken derweil halb im Kofferraum der G-Klasse und radebrechen darüber, wie man das Problem doch noch lösen könnte. Denn die eingebaute Ersatz-Batterie funktioniert nicht. "Vielleicht zu schwach", sagt der Bauarbeiter. "Aber wir können es noch mal mit dem Kabel und meinem Auto probieren. Es ist ein schwedisches Auto mit einer starken Batterie". Wir willigen ein, obwohl wir das ja eigentlich schon einmal versucht haben. Und tatsächlich geschieht das Unerwartete! Der Motor der G-Klasse springt mit einem tiefen Röhren an. Wir jubeln und bedanken uns. Bei laufendem Motor packen wir unser Zeug wieder ein. Selbstverständlich fahren nicht mehr zu unserem Hideaway am Meer, sondern auf direktem Weg nach Hause. Dort haben wir sogar noch ein bißchen Sonnenuntergang. Und damit es sich nach Camping und Abenteuer anfühlt, koche ich ein paar Nudeln und dazu trinken wir das Dosenbier. Ach so...ja...Mindestabstand.... Hat da eigentlich irgendjemand dran gedacht? Ich glaube nicht.

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