Es ist Sonntagnachmittag, wir sitzen im Garten und genießen die Ruhe. Theoretisch. Wenn der Nachbar zur Linken nicht gerade den Rasen mähen würde. Und der Nachbar zur Rechten nicht mit einem Hochdruckreiniger einstimmen würde. Irgendwo wirft noch jemand die Kreissäge an. Wir schauen uns an und schütteln grinsend den Kopf. Obwohl wir jetzt seit fast zwei Jahren in Schweden leben, ist es für uns immer noch ungewohnt, daß es hier so etwas wie Sonn- oder Feiertagsruhe nicht gibt. Im Gegenteil. Gerade diese Tage werden vor allem in den Frühlings- und Sommermonaten genutzt, um Haus und Garten auf Vordermann zu bringen. Die Samstage sind traditionell eher dazu da, um mit der ganzen Familie shoppen zu gehen oder einen Ausflug zu machen. Am Sonntag aber laufen Schwedens Heimwerker zur Hochform auf: Es wird gehämmert, gesägt, geschrubbt, gemäht...
Grundsätzlich haben wir festgestellt, daß Heimwerken offenbar ein tiefes schwedisches Grundbedürfnis ist. Gemäß dem Slogan einer bekannten Baumarktkette, daß es immer etwas zu tun gibt. In Schweden ist das Haus so eine Art Dauer-Projekt, an dem fortwährend gearbeitet werden kann: Nach dem Winter muss der Treppensockel neu gegossen werden, die Holzverkleidung braucht einen frischen Anstrich und das Terrassen-Deck eine Erweiterung. Unser Nachbar hat im vergangenen Jahr erst ein gigantisches Spielhaus für seine Kinder gebaut. Dann stellte er ein gewaltiges Trampolin auf das restliche Rasenstück in seinem Garten, um wenige Wochen später mit dem Ausbau seines Wohnhauses zu beginnen. Nachdem die Aussenwände von einer Profi-Firma aufgestellt waren, übernahm er in Eigenregie den Innen-Ausbau. Er hämmerte, sägte und bohrte jeden Tag bis spät in den Abend hinein. Dem Anbau folgte eine große Holzterrasse samt Jacuzzi, Lounge-Area und balinesischem Day Bed. Zuletzt wurde eine Tischplatte aus Beton gegossen, dann ein kleiner Gartenweg mit Kies angelegt und auf der Haus-Vorderseite ein Garten-Törchen gezimmert. Wir fragen uns, was unser Nachbar macht, wenn alles fertig ist. Vermutlich wird er das Haus verkaufen und sich irgendwo etwas Neues zum Aus- und Umbauen suchen. Eine Sache gibt es vorher allerdings noch zu erledigen: die Holzverkleidung für den Anbau. Seit November schauen wir auf lilafarbene, unverkleidete Dämmplatten. Wir vermuten, daß es nicht mehr lange dauern wird, bis ein Baugerüst und eine Kreissäge aufgestellt werden und ein Haufen Holzlatten geliefert wird. Vermutlich wenn es dauerhaft wärmer und trocken ist. Wir freuen uns schon darauf - vor allem auf die Sonntage.
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