Im seichten Wasser zu meinen Füssen betasten sich vorsichtig drei Seesterne. Zwei davon sind winzig klein und strahlend weiß, der etwas größere ist dunkler gefärbt. Was sie genau tun, kann ich nicht sagen und als ich das nächste Mal hinschaue, sind sie verschwunden. Vielleicht haben sie sich zu einer Ménage-à-trois im Seegras verabredet, wer weiß. Stattdessen tut sich jetzt ein Taschenkrebs an einer kleinen, orangefarbenen Qualle gütlich. Mit seinen Scheren hält er das wolkenähnliche Gebilde so gut es geht fest. Am Abend zuvor hatten wir in einer anderen Bucht noch recht spät eine Makrele gefangen und filetierten sie direkt am Wasser. Ich fühlte mich schlecht, als wir den restlichen Fisch ins flache Wasser warfen. Aber ich hatte ich den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da wanzte sich schon ein großer Krebs an den Kadaver heran. Er drehte sich die Makrele in die richtige Position und begann, das Fleisch von den Gräten zu ziehen. Aus den Seegras-Büscheln tauchten andere Krebse auf und machten sich auf den Weg zum Festessen. Es ist erstaunlich, was sich in der Abenddämmerung zwischen den Felsen an der schwedischen Westküste abspielt. Eigentlich sind wir zum Angeln gekommen, aber das Leben in der Flachwasserzone direkt vor mir ist mindestens ebenso spannend. Während ich meine Leine einhole, suche ich jedes Mal mit den Augen die mit Algen und Seegras bewachsenen Steine ab. Es ist zwanzig nach zehn und immer noch so hell, daß man ohne Schwierigkeiten kleinste Details im Wasser erkennen kann.
Dabei sein ist alles
Ich habe kein Glück beim Angeln. Ich glaube, der Meeresgott möchte nicht, daß ich etwas fange. Oder es ist mein Karma. Oder beides. An gleicher Stelle, mit gleicher Angel, gleichem Köder und etwa gleicher Wurf-Entfernung hole ich einen Fisch aus dem Wasser und mein Freund sieben. Meistens macht es mir nichts aus. Ich finde es wunderbar, einfach nur am Meer zu sitzen und dem wilden Treiben der Küstenbewohner zuzuschauen. Aber ich würde auch gerne etwas zu unserer Abendessen-Gestaltung beitragen. Und frische Makrele vom Lagerfeuer ist wirklich außergewöhnlich lecker.
Wir haben Herr Puch - unsere zum Camper umgerüstete G-Klasse - an einem fjordähnlichen Meeresarm abgestellt, der kilometerweit ins Landesinnere hineinreicht. Der Platz direkt am Wasser sieht aus wie ein aufgegebener kleiner Hafen, von dem einmal Steinblöcke abtransportiert wurden - vielleicht wurden sie dort aber auch abgeladen. Das Ufer jedenfalls ist übersät mit gewaltigen Blöcken und Schutt und außer ein paar Sommer-Häusern gibt es weit und breit nichts. Im vergangenen Jahr trafen wir dort vor allem deutsche Camper mit ihren Vans, in diesem Jahr ist es aufgrund der Corona-Krise deutlich leerer. Heute Abend sind wir alleine. Als der Wind nachlässt, ist es sehr still: In der Ferne hört man einige Kühe muhen, gelegentlich die Rufe von Vögeln. Das Meer sieht aus wie ein glattes, silbrig-blaues Seidentuch. Ein Schiff hat an der Boje in der kleinen Bucht festgemacht. Die Menschen an Bord scheinen sich aber hauptsächlich unter Deck aufzuhalten. In stiller Eintracht lassen wir unsere Angel-Rollen surren und mit einem leisen "Platsch" verschwinden die Blinker im Wasser. Jetzt im Frühsommer kommen die Makrelen in die Küstengewässer und ziehen auch in die Fjorde hinein. Manchmal scheint das Wasser zu kochen und unzählige Fische springen plötzlich aus dem Wasser. Makrelen sind nicht wählerisch und schnappen gierig nach allem, was irgendwie nach Beute aussieht. Also grundsätzlich...bei anderen, bei mir nicht. Bei mir beißt die einzige selbstmordgefährdete Makrele des gesamten Schwarms, weil sie ihrem Leben als gemobbter Fettfisch ein Ende setzen will. Oder aus Mitleid, damit ich auch mal ein Erfolgserlebnis beim Angeln habe. Aber meistens beißt nichts. Stattdessen könnte ich mit den Tonnen an Seegras, die schon an meinem Haken hingen, ganze Matratzen-Lager füllen.
Golfplatz mit Meerblick
Am nächsten Morgen fahren wir weiter nach Fiskebäckskil. Das hübsche kleine Hafenstädtchen liegt auf der Insel Skaftö, die über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. Der Himmel ist wolkenlos und dunkelblau, das Meer noch blauer und die Häuser weiß und rot. Obwohl die Sonne scheint, ist es frisch, denn es weht ein kräftiger Ostwind. Wir schlendern zum Anleger der Personenfähre, die nach Lysekil hinüber fährt und entdecken einen Minigolf-Platz direkt am Meer. Die Lage ist einmalig! Die Anlage gehört zu einem Hotel und wir beschließen, dort einen Kaffee zu trinken und nach Schlägern zu fragen. Ich gewinne mit vier Punkten Abstand. Ich nehme mir vor, es in meinem Kalender zu notieren, denn normalerweise gewinnt mein Freund sämtlich Spiele und Sportwettkämpfe. Aber vielleicht hatte der Meeresgott auch dieses Mal die Finger im Spiel und meinte es gut mit mir.
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