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In 22 Tagen durch Schweden. Teil 3: Die Westküste aus der Vogelperspektive

"Hat jemand Lust, mit mir Ende der Woche zu fliegen?", fragt unser Freund Tom auf Facebook. Der Post ist noch keine fünf Minuten alt und ich zögere keine Sekunde. Unsere Zeit hier in Schweden neigt sich dem Ende zu. Nur noch vier Tage, dann brechen wir auf und es war so viel zu erledigen, daß wir es nicht mehr geschafft haben, noch weitere Entdeckungs-Touren mit dem Camper zu unternehmen. Tom ist Pilot, begeisterter Flieger und Mitglied in einem Flug-Club südlich von Göteborg. Gelegentlich fragt er Freunde, ob sie mitkommen wollen. Ich bekomme den Zuschlag für den Flug und freue mich wie Bolle. Wir legen den Termin mit einem Farewell-Grillen zusammen und am Samstag ist es soweit. Das Wetter ist perfekt und wir machen uns auf den Weg zum winzigen Flugplatz in der Nähe von Kungsbacka. Nachdem Tom gewissenhaft die Maschine - eine zweisitzige Ikarus - gecheckt hat, rollen wir zur Starbahn: ein langer Grasstreifen inmitten der Felder. 

Es ist phantastisch! Über uns der blaue Himmel, vor uns die Küste mit ihren kleinen Fels-Inselchen, Buchten und Yachthäfen. Motorboote zeichnen weiße Halbkreise auf das Wasser. Wir werden eine Stunde unterwegs sein und an der Küste entlang bis nach Varberg fliegen. Dank modernster Kopfhörer-Technik, die das Motorengeräusch ausblendet, können wir uns über Sprechfunk entspannt unterhalten und Tom zeigt mir immer wieder besonders schöne oder interessante Stellen. Von oben sieht es aus, als schaue man auf den Spiel-Teppich in einem Kinderzimmer: die verschiedenfarbigen Felder, die Häuser, die Kirchen, die Autos und Fabriken... lauter Miniatur-Modelle. Wir sehen die - trotz Corona - vollen Strände. An einem liegen die Menschen so dicht, daß man kaum noch den Sand erkennen kann. Ein paar hundert Meter weiter auf den Felsen dagegen ist kein einziger zu sehen.

Die Zeit vergeht wirklich wie im Flug und schon bald taucht Varberg vor uns auf. Die Stadt hat eine Imposante Festung am Meer und ein hübsches Badehaus mit Türmchen und umlaufender Balustrade. Wir fliegen in einer weiten Kurve vom Meer über den Hafen hinüber zum ebenfalls kleinen Flugfeld. Man hat das Gefühl, die Landebahn würde ins Meer führen. Wir machen nur einen kleinen Zwischenstopp in Varberg, denn die Ikarus ist für fünf Uhr bereits wieder gebucht. Nachdem wir uns ein paar Minuten die Beine vertreten und zugeschaut haben, wie eine alte amerikanische Militär-Maschine flugbereit gemacht wird, starten wir wieder. Wenig später sind wir auf dem Rückweg, dieses Mal mit Blick Richtung Innland, auf Wälder und Seen. 

Mein Pilot freut sich über das perfekte Flugwetter und zeigt mir ein paar Manöver, mit denen er die Maschine bei Kurven richtig austariert. Unter uns zieht Tjolöholms Slott dahin, ein stattliches Herrenhaus mit Park, das auf einer auf einer Halbinsel an der Küste liegt. Rechts von uns sehen wir den tiefblauen Lygnern, einen wunderschönen fjordähnlichen See, an dem wir Ende April einen eiskalten Angel-Morgen verbracht haben. Dann dreht Tom die Maschine auch schon Richtung Flugplatz ein und richtet die Ikarus auf den schmalen grünen Gras-Streifen zwischen den Kornfeldern und Äckern aus. Keine drei Minuten später sind wir sicher und sanft gelandet. Ich bin noch immer Adrenalin-geflutet, glücklich und dankbar, als wir uns auf den Weg nach Göteborg machen. Die schwedische Westküste aus dieser Perspektive zu sehen, war einfach phantastisch und ein grandioser Abschluss unserer zwei Jahre hier.

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